Vegan-for-Fun
Junge vegetarische Küche

VEGAN FOR FUN


Nette Einsteigerrezepte für die vegane Küche – aber kein Must Have!

Autor: • Verlag:

Kochbuch-Rezension

Attila Hildmann. Wer sich hierzulande mit der veganen Küche befasst, kommt an ihm nicht vorbei. Vor ein paar Jahren noch ein ziemlicher Pummel, ist er mittlerweile - nach einer Ernährungs- und Lebensstilumstellung – regelrecht aufgeblüht: attraktiv, muskelbepackt und voller Energie. So (oder so ähnlich) steht’s geschrieben. Und zwar auf den ersten 30 Seiten dieses Werks. Eine ziemlich üppige Einleitung, wie ich finde. Wer kein Fan von Hildmann ist könnte damit ein Problem haben. Auch mit dem Rest des Buches, denn den Autor wird man nicht los. Vegan for Fun ist sowohl ein Buch von als auch über Hildmann - dessen sollte man sich vor der Anschaffung bewusst sein.

„Vorwort. Kein Machtwort“ heißt es gleich zu Beginn, „modernes veganes Kochen ohne moralischen Zeigefinger“ im zweiten Absatz. Dann aber: „Am Anfang des 21. Jahrhunderts stehen wir Menschen vor großen Herausforderungen: Die Bevölkerung wächst weiter, die Ressourcen werden knapper. Die grüne Lunge des Planeten schrumpft immer weiter – genau wie die Polkappen und die Käfige der Tiere in der Massentierhaltung.“ Oha? Auf den nächsten Seiten folgt noch mehr über CO2 und Methan, Regenwald, Sojaplantagen, Wasserverbrauch… auch die gesundheitlichen Aspekte, „der übermäßige Genuss tierischer Lebensmittel“, verbunden mit düsteren Prophezeiungen („Der Herzinfarkt ist die Konsequenz.“).  Natürlich will ich die benannten Ursachen, Zusammenhänge und Folgen weder abstreiten noch widerlegen - aber hatte Hildmann nicht eben noch versprochen, den moralischen Zeigefinger zu amputieren? Mission failed, würde ich sagen. Insbesondere, weil das Buch auf Hochglanzpapier gedruckt wurde. Was sagt man angesichts der eben erwähnten Umweltproblematiken dazu?
Und wo wir schon dabei sind, die Logik des Buchs auf Herz und Nieren zu überprüfen: Eigentlich entscheidet man sich ja höchst selten aus dem im Titel genannten „Fun“ für Veganismus. Sicherlich existieren viele Beweggründe für eine rein pflanzliche Ernährung - Gesundheit  / Umweltbewusstsein / Tierschutz etc. - aber dass Jemand diesen Weg nur aus Spaß geht, habe ich noch nie gehört.
Um es zusammenzufassen: Insgesamt ist mir das alles ein bisschen zu viel Vorgeplänkel und ich bin sehr erleichtert, als ich endlich den Rezeptteil erreiche. Ich wollte schließlich ein Kochbuch, keine Lifestyle-Beratung!

Das Buch teilt sich in folgende Kapitel:
Richtig satt / Veggie Party / Vegan to go / Leicht und locker / Süsse Belohnung

Als Freundin logischer Kochbuch-Kategorien (also „Vorspeisen“, „Salate“, „Desserts“ und sowas) komme ich hiermit nicht besonders gut klar. Selbst nach Wochen muss ich noch immer das Register bemühen, um etwas Bestimmtes zu finden. Ein Beispiel, um mein Dilemma zu verdeutlichen: Türkische Pizza mit Minze-Joghurt-Dip ist Vegan to go - der Döner hingegen macht Richtig satt. Couscoussalat ist Leicht und Locker, Kartoffelsalat gehört hingegen auf die Veggie Party. Ich denke, man versteht, worauf ich hinaus will. Immerhin finden sich die Süßspeisen allesamt im dafür vorgesehenen Kapitel – dafür kann ich aus Gründen der Selbstverständlichkeit aber keinen Pluspunkt vergeben.

Die Foodfotografie ist… in Ordnung. Wenig abwechslungsreich und nie inspirierend. „Solide“ möchte man sagen. Aber: Zu jedem Rezept gibt’s ein Bild, und das fällt positiv auf.

Die Rezepte sind nett - aber leider wenig inspirierend. Häufig veganisiert Hildmann Gerichte wie Spaghetti Bolognese oder Carbonara, Gulasch, Döner, und Markensüßigkeiten. Hierbei greift er (leider) häufig auf Soja- oder Convenience-Produkte zurück. Für Veganer, die gerade in der Anfangszeit eben noch Angst vor einen „Verzicht“ haben, in Ordnung. Aber nichts für ambitionierte Hobbyköche - oder gar für Sojaallergiker.
Prinzipiell kommt  mir zu viel aus der Packung. Warum muss ich Burger-Buns und vegane Mayo kaufen, wenn beides ganz leicht selbst gemacht werden kann? Spätestens bei den Schokocroissants (bestehend aus 1 Packung TK-Bio-Vollkorn-Blätterteig und 100 g Zartbitterschokolade) frage ich mich, ob man sich für solche „Rezepte“ ein richtiges Kochbuch anschaffen muss. Kursieren solche Tipps denn nicht Zuhauf auf einschlägigen Internetseiten? Auch viele andere Dinge finde leider zum gähnen: Couscoussalat. Tofunuggets. Maki-Sushi. Mir fehlt die Kreativität, die Inspiration, der Überraschungseffekt. Einige wenige Lichtblicke – wie die Spinat-Quinoa-Pfanne oder der Birnenstrudel mit Pistazienpesto - können meine Laune auch nicht durchgängig erhellen. Wenn begeisterte Hobbyköche und -bäcker von Vegan for Fun also eher enttäuscht sein werden, könnten Anfänger ein Problem mit den teilweise nicht durchdachten Rezepten haben. So zum Beispiel mit dem Sojagulasch: „Deckel von einem kleinen Bauernbrot abschneiden, Laib aushöhlen und das Gulasch darin servieren.“ Aha. Und was passiert dann mit dem Innenleben? Weicht das nicht durch? Soll es mitgegessen werden? Wenn ja, wie? Und wenn nicht: Schmeiße ich es dann in den Müll? Nächstes Beispiel: „Attilas Cremeschnitte“ – ein veganes Selfmade-Pendant zur Milchschnitte -  wird mit Sojasahne hergestellt. Wenngleich der Kauf von Pflanzensahne in Deutschland kein Problem mehr darstellt, ergeben leider die wenigsten eine auch nur halbwegs feste Creme. Sie schäumen lediglich auf, erinnern an dicken Milchschaum, könnten also nie zwischen zwei Kakaokeksscheiben gestrichen und so gegessen werden. Schade, wenn unerfahrene Neu-Veganer gleich zu Beginn so ein „Erfolgserlebnis“ verzeichnen müssen.

Vorsicht ist übrigens geboten, wenn man sich für die vegane Ernährung im Rahmen einer Bekämpfung von Adipositas o. ä. entscheidet. Auch gesundes Fett macht (im Überfluss) fett. Attila spart nie an Öl und Avocado, was er sich als Sportler ja auch leisten kann. Aber: Ich bin kein Sportler. Als Frau von 175 cm und 60 kg verbrauche ich täglich - ohne Sporteinheiten – ca. 1.800 Kalorien. Esse ich eine Portion von Attilas Tofubolognese sind davon 1.200 weg. 1.200. Das zergeht auf der Zunge.
Selbstverständlich finden sich auch leichtere Gerichte, aber ein Laie kommt ohne Nährwertangaben einfach nicht zurecht. Und weil er denkt, vegan ist gesund und gut, tappt er ahnungslos in die Kalorienfalle. In einem Buch, das sich in seiner Einleitung seitenlang über die gesundheitlichen Vorteile von Veganismus auslässt, halte ich Nährwertangaben - der Glaubwürdigkeit halber - für obligatorisch.

Das war’s leider noch nicht mit den Minuspunkten: Diese vollkommen überzogene Hipness ist so ungeschickt, unecht und unangebracht, dass ich es peinlich finde. Das beginnt bei den Rezeptbezeichnungen - Cashewdream-Ciabatta / Best Müsliriegel in Town / Crumble in the Jungle / Attinello Pralinen — und zieht sich dann durch die Anmerkungen zu den Rezepten und das ganze Drumherum. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass das „Konzept“  auf Hildmanns Mist gewachsen ist - aber das ist natürlich nur Spekulation.
Wer auch immer dafür verantwortlich ist sollte wissen, dass ein mit  durchschnittlichem Menschenverstand ausgestatteter Leser auf solche Dinge mit Fremdscham reagiert.

Das Ende des Rezeptteils markiert übrigens nicht das Ende des Buches. Es folgen „Tipps“: „Beim Einkaufen“, „Vegane Alternativen“, „Vorsicht“, „Vegan Unterwegs“, „Was man im Haus haben sollte“, „Webadressen zum Einkaufen und Weiterlesen“. Alles nicht unnütz, aber man hätte es nicht unbedingt auf epische 16 Seiten (großzügig mit Fotomaterial unterfüttert) ausdehnen müssen. Und wieso unter den „Webadressen“ lediglich fünf Stück erscheinen (davon ein Link zu seiner Kochschule und einer zu einem Grüntee-Versandhandel…) ist mir auch ein Rätsel.

Nachdem ich über Aufmachung und Konzept leider wenig Gutes sagen kann, komme ich nun zum Kochbuchtest – und der fällt tatsächlich positiv aus.

Kochbuchtest - Selbst gekocht

  • Knusprige Tofunuggets

    Noch am selben Tag, an dem das Kochbuch bei mir einzog, gab es die knusprigen Tofunuggets. Klar, nicht besonders aufwendig, vielleicht auch nicht originell, ausgelutscht, alles schon mal dagewesen: Aber wirklich schnell gemacht und lecker. Die dürfen jetzt öfters auf den Tisch kommen, wenn einen der Fast Food-Hunger plagt. Eigentlich kommt noch ein selbstgemachter Curryketchup dazu, aber den Aufwand wollte ich - auch wegen ausreichend vorhandener Alternativen – dann doch nicht auf mich nehmen.

  • Tex-Mex-Burger mit Guacamole

    Tex-Mex-Burger mit Guacamole

    Wenn schon, denn schon. Ich bin kein Freund von Fleischersatzprodukten. Aber eben drum sollte es dieser Burger sein. So konnte ich wenigstens auf Herz und Nieren überprüfen, ob es möglich ist, diesen unsäglich überteuerten (und selten schmackhaften) Convenience-Kram aus dem Supermarkt auch selbst zu machen. In einer Anmerkung erzählt Hildmann, wie er den Burger in einer Boulevardsendung einer Footballmannschaft servierte, die nichts davon mitbekam, dass es sich um Tofu und nicht um Fleisch handelte. Das ist natürlich so eine Sache: Solange man nicht weiß, dass es Tofu ist, kann es durchaus mal durchgehen – doch sobald man darüber informiert ist, wird es schwierig.
    Ich persönlich finde, die Frikadelle hat weder Fleischgeschmack noch -konsistenz (trotz des „Geheimtipps“ Johannisbrotkernmehl). Im Gegensatz zum Fertigkram schmeckt’s aber.
    Aber: Die Portion ist vollkommen überdimensioniert. Da geht selbst ein großer Esser in die Knie. Und wieso ich aus der Tofumasse drei Frikadellen kneten und braten soll, im Endeffekt aber lediglich zwei Brötchen damit belege, weiß ich bis heute nicht. Was passiert mit dem dritten? Schon beim Braten in den Mund stopfen? Enten füttern? Zu Deko umfunktionieren?
    Doch davon abgesehen: Ein wirklich leckerer, veganer Burger, der mich als „Ersatz“ überzeugt hat. Wenn man vorher eine Woche lang im Wald gelebt und sich nur von Beeren und Wurzeln ernährt hat, schafft man eine Portion auch.

  • Chili sin carne

    Chili sin carne

    Dazu kann ich gar nicht viel sagen: Ein solides, gut gewürztes Chili mit leckerem Avocado-Joghurt als gewisses Extra. Ich finde mein eigenes Chili einen Tick leckerer, aber das ist Geschmackssache. Allerdings habe ich auf die Zugabe von 100 g Tomatenmark verzichtet (und auf 1 EL reduziert), weil es für mich keinen Sinn gemacht hat und es mir mit dieser Menge bestimmt zu künstlich geschmeckt hätte. Hier ist die Portion übrigens genau richtig - Reis oder Brot braucht’s nicht unbedingt dazu.

  • Baked Potato mit Bohnen und Zaziki

    Baked Potato mit Bohnen und Zaziki

    Mein Favorit. Auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders originell, ja, das stimmt. Aber es schmeckte durch und durch einwandfrei. Auch hier habe ich aber die Portionsgröße von dem Zaziki runtergeschraubt. Pro Portion allein 250 g Joghurt (plus die Gurke!) schien mir dann doch etwas übertrieben. Ich hätte anfänglich nicht einmal gedacht, dass Zaziki auf Sojajoghurtbasis funktioniert. Eben weil Soja diesen nussigen, manchmal leicht süßlichen Beigeschmack hat. Durch die Zugabe von Essig wird das aber ganz gut neutralisiert. Warum sich Hildmanns Warnung vor süßem Sojajoghurt als Basis für pikante Dipps aber nicht an dieser Stelle, sondern beim Rezept für Mandarinen-Creme-Schnitten findet, ist und bleibt mir ein Rätsel.

Weitere Rezensionen zu dem Buch findet ihr auch bei:

Kochbuchfazit

Die von mir getesteten Rezepte haben allesamt funktioniert, die Resultate überzeugt. Doch haben nicht durchdachte Beschreibungen und andere kleine Fahrlässigkeiten dazu geführt, dass ich mich an manchen gar nicht erst versuchen wollte - schade.
Ein bisschen mehr habe ich mir von diesem Buch schon erwartet: Eine kreative und moderne vegane Küche - ohne diese narzisstisch anmutende  Selbstdarstellung und Eigenmarketing bzw. Promotion der Werbepartner. Mir persönlich ist das alles ein bisschen too much.
Wenngleich ich diese Punkte kritisiere, ist die Rezeptauswahl für (junge) Einsteiger in die vegane Küche womöglich genau richtig. Auch ich bereue nicht, Vegan for Fun im Regal stehen zu haben, selbst wenn ich es nur als Einsteiger- oder Fankochbuch ernst nehmen kann. Und wer weiß?
Der für Herbst 2012 geplante Nachfolger Vegan for Fit hat vielleicht auch für geübte Köche ein paar Überraschungen parat.


VEGAN FOR FUN

Junge vegetarische Küche

Autor: Attila Hildmann
ISBN13: 978-3938100714
Erstveröffentlichung: 2011
Website: Link zur Website
Fotograf: Simon Vollmeyer
Gebunden mit Schutzumschlag , 192 Seiten



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