Kochbuch: Pişmek – Kochen auf Türkisch
Geschichten und Rezepte aus dem Land am Bosporus

Pişmek – Kochen auf Türkisch


Authentische Rezepte, garniert mit hinreißenden Fotografien und originellen Geschichten.

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Kochbuch-Rezension

Die türkische Küche ist in mitteleuropäischen Landen noch immer primär für Döner und Lahmacun bekannt und – zu Recht! – beliebt. Wie vielseitig in dem eurasischen Staat tatsächlich gekocht und gebacken wird, will Leanne Kitchens opulentes Werk Pişmek – Kochen auf Türkisch vermitteln. Die neuseeländische Köchin und Foodjournalistin präsentiert insgesamt 115 Rezepte, die in folgende Kategorien unterteilt werden:

Meze / Suppen / Brot / Gemüse / Fleisch / Fisch / Desserts

Diese Einteilung ist gefällig und erleichtert – auch ohne das Bemühen des Rezeptregisters – die schnelle Orientierung. Zu Beginn eines jeden Kapitels steht eine knappe Erläuterung, die den Leser mit Kurzinformationen versorgt: Woher stammt das Wort „Meze“ eigentlich? Was macht eine „typisch“ türkische Suppe aus? Welche Bedeutung hat Brot innerhalb der dortigen Esskultur? Das alles wirkt kein bisschen überflüssig, sondern ist sehr interessant und führt auf einer theoretischen Ebene in die spätere Praxis – das Kochen und Backen – ein. Allein mit diesen Kurzerläuterungen begnügt sich Kitchen jedoch nicht. Da sie für ihre Recherchen einmal quer durchs Land gereist ist, widmet sie vielen Regionen und jeweils einer ihrer kulinarischen Spezialitäten eine kurze Kolumne – und auch die machen Lust auf mehr, neugierig, all diese Dinge auch mal selbst erleben, riechen, schmecken, fühlen zu können: Ein Besuch in einer Baklava-Fabrik in Gaziantep oder bei einer Familie auf dem Land, die Pekmez in mühevoller Handarbeit selbst herstellt. Ich packe schon mal die Koffer. Wer kommt mit?

Auf der praktischen Ebene offenbart sich Pişmek zuvorderst als ein Buch, das für Jedermanns Geschmack geeignet ist. Viele Gerichte basieren auf Gemüse, aber auch Fleisch- und Fischliebhaber kommen auf ihre Kosten. Eher bodenständige, traditionelle „Bauern“-Gerichte (Manti / Pide mit Mangold und Feta / Muhamara ) stehen Seite an Seite mit scheinbar großstädtisch-inspirierten Kreationen (Pistazienkebab mit Tomaten-Chili-Soße / In Salz gebackener Fisch mit Rote-Bete-Salat und Pistazien-Tahin-Sauce / Granatapfelgel mit Zuckerwatte). Auch die Auswahl an Brotrezepten kann sich sehen lassen. Wir wollten doch alle schon einmal wissen, was das Geheimnis der leckeren Simit ist, was „Pide“ bedeutet und wie daheim authentisches Lahmacun zubereitet wird, oder?

Die Foodfotografie ist wunderschön – beim Blättern bekommt man richtig Appetit und wünscht sich, alles möglichst rasch selbst probieren zu können. Es werden aber auch zahlreiche andere Motive gezeigt: Menschen. Städte. Landschaften. Pişmek will mehr als nur Kochbuch sein. Pişmek hat Persönlichkeit.

Aber: Pişmek ist nur bedingt ein Buch für Anfänger, viele Rezepte setzen eine gewisse Erfahrung und Fingerfertigkeit voraus. Auch sind mehrere Zubereitungsschritte, Wartezeiten, Töpfe und Pfannen eher Regel als Ausnahme. Schnelle Feierabendküche ist hier nicht, eher „Wir kochen am Wochenende mal was Besonderes!“

Es wäre auch hilfreich, Angaben zur Zubereitungszeit zu erhalten – da dem nicht so ist, bleibt nichts
anderes übrig, als das Rezept aufmerksam von Anfang bis Ende zu lesen. Nicht, dass man mit knurrendem Magen alles halb zubereitet hat, dann aber erst in zwei Stunden weitermachen darf…

Auch über die Portionsgrößen möchte ich meckern: Nur selten sind die im deutschen Raum üblichen 2 oder 4 Portionen angegeben – nein, es sind häufig 8, 10 oder 12. Aber wann kommen hier bei uns so viele Leute an einem Tisch zusammen? Das sind doch eher Ausnahmesituationen, und für den Kochalltag ist ständiges Dividieren fürchterlich unpraktisch. Ich werde auch das Gefühl nicht los, dass Kitchen sich teilweise verschätzt. Der Pistazien-Grießkuchen etwa: Angegeben sind 8-10 Portionen. Aber daraus wird ein wirklich großer Kuchen, aus dem ich 20 Rauten schneiden kann. Und der Kuchen ist mächtig, ehrlich, da genügt ein kleines Stück.

Die Zutatenlisten haben mir anfänglich ebenfalls Kopfzerbrechen bereitet. Viele Dinge klangen völlig unbekannt – so etwa Tulum. Pekmez. Oder Ekmek. Da ich nichts davon jemals gehört hatte, war ich zu Beginn leicht panisch: Wo soll ich das nur bekommen? Doch ich wurde ohne große Anstrengungen eines Besseren belehrt: Der türkische Lebensmittelhändler ums Eck hatte alles griffbereit und vorrätig. Kein langes Suchen, kein Verzweifeln. Angst vor einer mühevollen Zutatenbeschaffung ist also kein Grund, das Buch im Laden stehen zu lassen.

Bemerkenswert finde ich außerdem, dass Kitchen die Grenzen heimischer Koch- und Backmöglichkeiten kennt und nennt: Nach dem eindrucksvollen Besuch in einer Baklava-Fabrik, bei der sie erstmalig den langwierigenProduktionsprozess beobachten konnte, hält sie fest: „(…) ich nehme mir fest vor, in dieses Buch kein Baklava-Rezept aufzunehmen. »Echte« Baklava lassen sich zu Hause einfach nicht nachmachen – Sie müssen also nach Gaziantep reisen, um sie zu genießen.“

Kochbuchtest - Selbst gekocht

Probegekocht wurde spontan, was mich neugierig gemacht hat.

  • Gewürzte Rote-Linsen-Köfte

    Gewürzte Rote-Linsen-Köfte

    Ich erwähnte ja bereits, dass die Rezepte aufmerksam gelesen werden sollten. Dass auch ich in dieser
    Hinsicht kein Vorbild bin, kann am Beispiel der Köfte aus roten Linsen exemplarisch aufgezeigt werden: Die sollten mir nämlich ein schnelles Abendessen sein. Funktionierte aber nicht, weil die Linsenmasse erst abkühlen muss, bevor sie weiterverarbeitet werden kann. Der Versuch, die noch warme Masse zu Köfte zu formen, ging ordentlich in die Hose. Letztlich lohnte sich die drangehängte Wartezeit von rund 30 Minuten aber: Die Rohmasse erinnert zwar ein wenig an Mett, ist also wenig ästhetisch – doch köstlich! Und in die richtige Form gebracht machen die Köfte dann auch optisch richtig was her. Formvollendete Bällchen mit würzigem Geschmack, die prima mit ins Büro oder zum Picknick genommen werden können. Nur was Kitchens Beilagenempfehlung (rohe Lauchzwiebeln und Zitronenspalten) soll, weiß ich nicht. Die habe ich dann eigenmächtig durch Fladenbrot und Joghurtsauce ersetzt, was eine vorzügliche Entscheidung war. Uneingeschränkt empfehlenswert.

  • Gerstensuppe mit Joghurt und Minze

    Gerstensuppe mit Joghurt und Minze

    Mit einer unkomplizierten Zubereitung und binnen 45 Minuten eigentlich recht fix gemacht, schmeckt die Suppe leicht und frisch. Prima fand ich Kitchens Erläuterung bezüglich der Eigelb/Stärke-Mischung, die in der Türkei häufig genutzt wird, um Suppen sämig zu machen. Ein genialer Tipp, den ich vorher noch nicht kannte. Resultat: Ich hatte noch nie eine so schöne, samtige Suppe. Die Zitronennote passt ideal zum Sommer – für mich, kalt oder lauwarm genossen, ein perfektes Lunch an schwülen Tagen. Allerdings: Hier ist die Portionsgröße etwas gering bemessen.

  • Simit

    Simit

    Königsdisziplin: Einen Hefeteig herstellen. Hoffen, dass er aufgeht. Filigrane Stränge von über einem halben Meter Länge formen, diese dann flechten, in eine Sirup-Wasser-Mischung tauchen und anschließend in Sesam wälzen. Wer all diese Schritte mit Bravour meistert, ohne dass die Ringe ihre Form verlieren, auseinander fallen, die komplette Küche mit Sesam bekrümelt oder Sirup verklebt ist, dem zolle ich größten Respekt. Mir ist es nur halbwegs gelungen, für den ersten Versuch fand ich es aber gar nicht so schlecht – richtig lecker sind die Dinger. Die Anmerkung zur Haltbarkeit am Ende des Rezepts gefiel mir ganz besonders: Da Simit luftdicht verpackt im Kühlschrank bis zu vier Wochen haltbar sind, lohnt sich das Backen größerer Mengen auch für kleine Haushalte.

Eine weitere schöne Rezension zu Pişmek – Kochen auf Türkisch gibt es hier: restaurant-am-ende-des-universums.blogspot.de

Kochbuchfazit

Trotz des hohen Preises sowie des anspruchsvollen Arbeits- und Zeitaufwandes ist mein Fazit: Pişmek lohnt sich. Optik und Konzept ergänzen sich derart stimmig, dass ich jedes Mal ein kleines Glückspieken in der Bauchgegend fühle, wenn ich es in die Hand nehme. Ich könnte Ewigkeiten darin blättern und doch immer etwas Neues entdecken. Es ist binnen weniger Wochen zu meinem absoluten Liebling avanciert und nicht mehr aus der Küche wegzudenken.


Pişmek – Kochen auf Türkisch

Geschichten und Rezepte aus dem Land am Bosporus

Autor: Leanne Kitchen
Originaltitel: Turkey – Recipes and Tales from the Road
ISBN13: 978-389910523-0
Erstveröffentlichung: 2012 (Deutschland), 2011 (englische Originalausgabe)
Gebunden mit Schutzumschlag und Prägung, 269 Seiten



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Eine Antwort zu “Pişmek – Kochen auf Türkisch”

  1. Jens sagt:

    Aufgrund der Rezension und dem positiven Feedback im Forum habe ich nun auch zugeschlagen.

    Vielen Dank. Wirklich ein sehr tolles Buch!

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