Das Mekka aller Vegetarier! Und auch der Fleischesser – nach Veggiestan würde auch ich sofort ziehen.
Vor ein paar Wochen ist Sally in meine Küche eingezogen. Ganz leichtfüßig und sanft ist sie hereingeschwebt und seither nicht wieder herausgekommen. Sie ist durch meine Gewürzregale und Vorratsschränke gewirbelt und hat überall frischen Wind reingebracht. Und das hat sie geschafft, ohne dass ich erst exotischste Zutaten bestellen musste. Ich möchte sie nicht mehr missen – ganz im Gegenteil! Ich will mehr von diesen tollen Gerichten, die sie uns so locker und freundlich serviert, als wären wir alte Freunde.
„Veggiestan“ – das ist ein Ort, der alleine Sally Butchers Fantasie entsprungen ist. Es ist ihre Bezeichnung für den Nahen Osten, der mit seiner unglaublichen Vielfalt an fleischlosen Gerichten ein wahres Paradies für jeden Vegetarier ist. Nach „Persia in Peckham“, das nur im englischen Original erhältlich ist und hauptsächlich die iranische Küche mit ihren Feinheiten beleuchtet, ist das Zweitwerk der Autorin glücklicherweise auch auf Deutsch erschienen.
Bereits als ich das Buch zum ersten Mal in der Hand halte, bin ich begeistert: der Einband ist sehr hübsch gestaltet, das Buch liegt wunderbar in der Hand. Die dezenten Samtapplikationen auf dem Cover laden ständig dazu ein, das Buch wie ein liebgewonnenes Haustier zu streicheln. Was ist auch ausgiebig tue… So entwickelt sich bereits vor dem ersten Kochen eine innige Beziehung zwischen „Veggiestan“ und mir.
Zu Beginn des Kochbuches erzählt Sally, worum es ihr hier geht – uns die wunderbare, vielseitige, vegetarische Küche des Orients näherzubringen (obwohl sie selbst einem gelegentlichen blutigen Steak nicht abgeneigt ist). Und sie motiviert uns, durch die zahlreichen türkischen und orientalischen Läden zu streifen und unsere Einkaufstaschen zu füllen mit Gemüse und Kräutern, die wir noch nie zuvor gekauft haben. Natürlich wird den Hülsenfrüchten Tribut gezollt, die in der Nahostküche so zahl- und variantenreich Verwendung finden. Und letztendlich geht es ihr auch – und vielleicht sogar hauptsächlich – um die Freude des (gemeinsamen) Essens. Spätestens an diesem Punkt bin ich „Veggiestan“ verfallen.
Die Gliederung des Kochbuchs ist recht klassisch – es finden sich die Kapitel Brot und Teigwaren, Kräuter und Salate, Milch- und Eierspeisen, Suppen, Hülsenfrüchte, Reis und Getreide, Gemüse, Kochen mit Früchten, Eingelegtes, Eingemachtes und Würzsaucen und schließlich Süßspeisen (hier schließt sich noch ein Minikapitel über Kaffee und Tee an). Jedes Kapitel beginnt mit einer Einleitung, in dem die Bedeutung der jeweilig vorgestellten Lebensmittel für den Nahen Osten (und oft auch für „den Westen“) erläutert wird. Doch damit nicht genug: immer wieder finden sich in den Kapiteln verteilt noch kleine, informative Zusammenfassungen über alle möglichen Dinge – von orientalischen Gewürzmischungen über Street Food bis zu Tauschen und Feilschen.
Die Rezepte sind schön und übersichtlich aufgebaut – zu Beginn eine Einleitung, die wunderbar auf das Folgende einstimmt, dann die Zutaten. Bei sehr speziellen Zutaten findet sich immer eine Erläuterung und ggf. Informationen, wie man sie herstellen oder wo man sie kaufen kann. Überall kommt Sally Butchers wunderbarer persönlicher Stil durch und ich mag es einfach, wenn sie mich auffordert, bei der Zugabe von Knoblauch „nur keine Zurückhaltung“ walten zu lassen. Sie stellt einfach ganz anschaulich und locker dar, um was es geht. Das gute Gefühl, Gutes zu kochen und zu genießen.
Auch das Register ist einfach und verständlich. Sowohl die deutschen, wie auch die arabischen Bezeichnungen der Gerichte sind darin aufgeführt, gleichzeitig auch noch die Zutaten. Trotzdem bleibt es übersichtlich. Und ganz am Schluss stellt Sally Butcher uns noch eine Bibliografie zur Verfügung, wo wir uns als interessierte Leser noch tiefer in den Orient hineingraben können – wenn wir es wollen.
Selten habe ich so ein ausgewogenes, kreatives, ungewöhnliches und unglaublich leckeres und gelingsicheres Kochbuch erlebt. Einfach jedes Rezept, das ich gekocht habe, hat genau so funktioniert, wie es angegeben war und obendrein auch noch lecker geschmeckt. Meine Begeisterung kennt keine Grenzen.
Bei der großen Münchner Sommerhitze blieb die Küche zunächst kalt und ich habe mich für den „Gemischten Salat mit einem Traumdressing“ entschieden. Auch in ganz wachem Zustand war das Dressing eine Wucht. Erstmal wird ein Minzsirup hergestellt, der der Salatsauce den letzten Kick gibt, er kann aber auch ganz einfach durch einen Löffel Honig ersetzt werden (wobei die Version mit dem Minzsirup schon echt noch einen Ticken leckerer ist). Estragon, Dill und fein geschnittene Cornichons geben dem Dressing eine extravagante Note. Es schmeckt wundervoll mild und kann durch die Zugabe von ein bisschen frischem Zitronensaft noch ein bisschen würziger und frischer abgeschmeckt werden.
Eingelegte Zitronen sind ja alte Bekannte in der marokkanischen Küche. Diese Variante kommt ohne Wasser aus, die (ganzen) Zitronen werden in ein Glas gepresst, so dass Saft austritt, eventuelle Hohlräume werden mit weiterem Zitronensaft aufgefüllt. Wie bei anderen Salzzitronen auch, braucht man Geduld – vier Wochen muss das Ganze ruhen, bis man „ernten“ kann. So einfach und so dekorativ. Soll hervorragend in marokkanischen Eintöpfen und auch in diversen Salatdressings schmecken. Der Praxistest steht noch aus, aber es duftet vielversprechend.
Die Karottensuppe mit Kardamom schmeckt so wunderbar rund, dass man am liebsten den ganzen Topf alleine auslöffeln würde. Immer wieder muss ich am Herd vorbeigehen und die kläglichen Reste, die nach dem Mittagessen übriggeblieben sind, weiter dezimieren. Im Rezept wird Kokosmilch mit in die Suppe eingerührt, die hatte ich nicht zu Hause und habe stattdessen ein bisschen Sahne verwendet – sicherlich genauso lecker.
Zwei Hummusvarianten mussten dann noch her – einmal der traditionelle Hummus aus Kichererbsen und einmal Erbsenhummus. Beide schmecken absolut fantastisch. Der klassische Hummus schmeckt auch ganz klassisch – und ebenso hervorragend. Wichtig für den Geschmack ist es, ihn frisch zuzubereiten und am besten die Kichererbsen selbst einzuweichen. Die Hummusvariante mit Erbsen hat mich richtig überrascht – die Erbsen haben ein wundervolles Aroma und schmiegen sich samtig an den Gaumen. Und trotzdem schmeckt die Paste so richtig nach Hummus.
Zu guter Letzt – Linsen mit Pfirsichen und Chili. Ein Traum. Und das so ganz unerwartet. Der erste Bissen hat mich noch nicht so vom Hocker gerissen, aber dann, wenn sich diese wundervollen Aromen im Mund entfaltet haben…! Ganz besonders gefallen hat mir Sally Butchers Bemerkung, das Ganze „fröhlich vor sich hinköcheln“ zu lassen.
Cranberries (im Original: Berberitzen) geben dem Gericht eine angenehme Säure, so dass es auch für warme Tage geeignet ist. Und der gemahlene Zimt und der Ingwer sorgen dafür, dass es auch im Winter für warme Füße und als Bauchwärmer in Frage kommt. Ganz ohne Zweifel – ein wunderbarer Eintopf zum Wohlfühlen.
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Ich bin restlos begeistert und hoffe, von Frau Butcher bald noch mehr zu lesen. Und leider kann ich „nur“ fünf Hütten vergeben, wenn es möglich wäre, hätte ich sogar 10 vergeben.
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